Die Geschichte der Mineralölindustrie

Erdölförderung - Woodford wells and Philip, Pennsylvania © Morphart - Adobe Stock

Die Entwicklung der Ölindustrie lässt sich geschichtlich nicht isoliert betrachten. Beginnend etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts vollzog sich deren Entwicklung schrittweise, vor dem Hintergrund großer technischer Entwicklungen und politischer Veränderungen, bis in unsere Zeit hinein. Im Ergebnis ist wohl kaum ein anderer Industriezweig derart eng mit den weltpolitischen Entwicklungen der vergangenen 150 Jahre verbunden. Vor diesem Hintergrund ist die Kenntnis der geschichtlichen Entwicklung für ein grundlegendes Verständnis heutiger Marktzusammenhänge unerlässlich.

Bevor jedoch nachfolgend im Detail auf die Entwicklung der Ölindustrie eingegangen wird, soll zunächst kurz auf den Unterschied zwischen Erdöl und den daraus hergestellten Mineralölprodukten, wie beispielsweise Benzin oder Dieselkraftstoff, hingewiesen werden. Bei Benzin oder Dieselkraftstoff handelt es sich um chemische Kohlenwasserstoffverbindungen mit jeweils spezifischen Molekülstrukturen. Das aus dem Erdreich geförderte, so genannte Rohöl dient dabei lediglich als Rohstoff, weil es Kohlenwasserstoffmolekülketten unterschiedlicher Länge in sehr hoher Dichte enthält. Grundsätzlich ist es jedoch möglich auch andere Rohstoffe für die Herstellung von Benzin zu verwenden, vorausgesetzt diese enthalten Kohlenstoffmoleküle, welche nach einer Anreicherung mit Wasserstoff zu beliebigen Kohlenwasserstoffen zusammengesetzt werden können. Dieser Zusammenhang erscheint deshalb so wichtig, weil entgegen der landläufigen Meinung nicht etwa die Ölindustrie das Benzin hervorgebracht hat, sondern vielmehr die Petrochemie des beginnenden 19. Jahrhunderts das Erdöl als alternativen Rohstoff zur bis dahin verwendeten Kokskohle für die Herstellung von Benzin entdeckt hat. Die heute bekannten und weltweit agierenden Mineralölkonzerne begegneten der steigenden Nachfrage indes mit dem Aufbau nachhaltiger Transport und Vertriebsstrukturen in den Hauptabsatzmärkten Amerikas und Europas.


Entwicklung der Petrochemie

Als um das Jahr 1838 der Schwede Jakob Berzelius zusammen mit Justus von Liebig das Benzin erfand und damit den Grundstein für die folgende petrochemische Entwicklung legte, bildete fein gemahlene und mit Wasserstoff angereicherte Kokskohle den Grundstoff für dessen Herstellung. Erst knapp 20 Jahre später im Jahre 1859 wurde erstmals Rohöl als Rohstoff für die Petrochemische Industrie erschlossen. Während Mitte des 19. Jahrhunderts die industrielle Entwicklung immer schnellere Fortschritte machte, befand sich die Welt politisch zur selben Zeit in einer grundlegenden Umbruchphase. Das britische Königreich beherrschte zwar immer noch weite Teile der Welt, jedoch war dessen Machtzenit weitestgehend überschritten und der mittelfristige Zerfall des Kolonialreichs in Teilen bereits eingeleitet. Mit den Vereinigten Staaten von Amerika hatte sich knapp 80 Jahre zuvor im Jahre 1786 erstmals ein bedeutender Teil des Empires die Unabhängigkeit erkämpft und auch in anderen Teilen des Reiches nahmen die Spannungen zu. Frankreich war zwar immer noch Kolonialmacht insbesondere in Nordafrika, spielte weltpolitisch bereits eine vergleichsweise eher untergeordnete Rolle. Parallel dazu wuchs die politische und wirtschaftliche Bedeutung der USA in der Welt und in der Mitte Europas versuchten die späteren Achsenmächte des ersten Weltkrieges ein wirtschaftliches, militärisches und politisches Gegengewicht zu den immer noch dominanten Kolonialmächten in Europa zu bilden.

In dieser frühen Phase der petrochemischen Entwicklung versuchten Forscher wie Berzelius natürliche Rohstoffe in ihre Molekülbestandteile zu zerlegen, um sie dann anschließend wieder neu zusammensetzen oder mit anderen Stoffen reagieren zu lassen. So entdeckte der deutsche Physiker August Kekule aus Darmstadt 1861 die Formel für den Benzolring C6H6 und parallel dazu wurde in England von William H. Perkin der damals erste künstliche Farbstoff auf Anilinbasis hergestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt war man gezwungen natürliche Pigmentstoffe mit hohem Aufwand aus allen Teilen der Welt - vorzugsweise den britischen und französischen Kolonien - zu beschaffen, um Sie dann in den sich entwickelnden westlichen Industriestaaten zu Farben zu verarbeiten. Es gelang Wissenschaftlern auf diese Weise erstmals aktiv in die Vorgaben der Natur einzugreifen, indem natürliche Rohstoffe von Menschenhand und in Eigenregie veredelt (engl. "to refine = veredeln") wurden -- ein Selbstverständnis, dass die westliche Kultur bis heute prägt. All diese Entwicklungen lösten im damaligen Deutschland in der Folge einen regelrechten petrochemischen Boom aus. Bereits zwei Jahre später gründete Friedrich Bayer im Jahre 1863 ein Unternehmen zur Produktion von künstlichem Anelin-Blau und im selben Jahr wurden die Lucius Farbwerke in Hoechst zur Produktion von Anelin-Rot gegründet. Weitere zwei Jahre später entstand 1865 die Badische Anelin und Soda Fabrik (BASF) welche bereits 1866 das erste integrierte Petrochemische Unternehmen der Welt war, indem es die Produktion und den Transport des Rohstoffs Kohle aus dem Saarland, die Farbenproduktion, sowie deren Vertrieb in einem Unternehmen vereinte.


Steigende Nachfrage nach Leuchtöl und Benzin

Parallel zu den rasanten Entwicklungen in der Chemischen Industrie, wurde im selben Jahrzehnt mit der Erfindung des Otto-Motors 1867, der jedoch zunächst mit Gas betrieben wurde, der Grundstein für einen weiteren Industriezweig gelegt, welcher die Welt bis heute nachhaltig verändern sollte. Im Zuge der zunehmenden Verbreitung von Leuchtöl als Brennstoff für alle Arten von Lampen in Europa und den Vereinigten Staaten gründete John D. Rockefeller 1870 die später legendäre Standard Oil, besser bekannt unter dem Namen ESSO, um am Transport und Vertrieb des in den USA zunehmend nachgefragten Rohstoffs Erdöl mit zu verdienen (Der Name "ESSO" entstand aus der gesprochenen Abkürzung Rockefellers "Standard Oil", welche umgangssprachlich nur mit den Anfangsbuchstaben als "ES O" bezeuchnet wurde).

Größere Ölfunde im Süden der USA beschleunigten die Verbreitung von Erdöl als Rohstoff für die Produktion von Leuchtöl, welches zuvor hauptsächlich aus Kohle gewonnen wurde, weiter. Gleichwohl beteiligte sich Rockefeller selbst, bis in das 20. Jahrhundert hinein, nicht an der eigentlichen Förderung von Erdöl – dem so genannten Upstream – sondern konzentrierte sich voll auf die Beherrschung des Vertriebs, dem so genannten Downstream. Der amerikanische Ölboom des ausgehenden 19. Jahrhunderts wurde darüber hinaus noch vom bis heute vorherrschenden amerikanischen Selbstverständnis geprägt, wonach nicht der Staat die Verteilung der Bodenschätze reguliert, sondern jeder selbstständige Geschäftsmann, ausreichend Geldmittel und Risikobereitschaft vorausgesetzt, Land kaufen oder pachten konnte, um sein Glück bei entsprechend hohem eigenen finanziellen Risiko im Ölgeschäft zu versuchen. Diese Kultur der "Independents" hat die amerikanische Wirtschaftspolitik bis heute nachhaltig geprägt und steht auch heute noch im krassen Gegensatz zum europäisch geprägten Modell der staatlichen Regulierung vermeintlichen Allgemeingutes.

Mit der Erfindung des ersten Otto-Motors auf Benzinbasis 1885 durch Gottlieb Daimler, sowie des ersten mit Gasöl betriebenen Motors 1893 durch Rudolf Diesel, wurde die Nachfrage nach petrochemischen Produkten weiter angetrieben. Insbesondere nachdem die Maschinenfabrik Augsburg Nürnberg (MAN) Diesels Erfindung erstmals praktisch in größerem Stil umsetzte und in der Folge eine technische Umwälzung der gesamten damaligen Transportindustrie einleitete. Drei Jahre zuvor 1890 gründete der niederländische Geschäftsmann Jean Kessler das Unternehmen Royal Dutch und 1897 folgte Shell mit dem britischen Händler Marcus Samuel an der Spitze. Dessen Ziel war primär die Versorgung Europas mit Erdöl aus der rumänischen Baku-Region. Darüber hinaus wollte er jedoch auch ein britisches Gegengewicht zu Rockefellers ESSO schaffen, was dem damaligen kolonialen Zeitgeist im Spannungsfeld zwischen dem damaligen Königreich und seiner abtrünnigen Kolonie, den Vereinigten Staaten, entsprach. Um diesen nachvollziehen zu können sei am Rande erwähnt, dass nur ein Jahr später 1898 das Kaiserreich China von England gezwungen wurde einen 99 Jahre gültigen Pachtvertrag für die Halbinsel Hongkong zu unterzeichnen.


Erdöl verdrängt Kohle als Energieträger

In den Jahren 1901 bis 1912 wurde mit der schrittweisen Umstellung der Britischen Kriegsflotte von Kohle auf Öl der endgültige Durchbruch des Erdöls, dem von nun an wichtigsten industriellen Energieträger, eingeleitet. Konnte Kohle bis dahin noch in heimischen Bergwerken gewonnen werden, so war die Weltmacht nun von einem Rohstoff abhängig, welcher ausschließlich aus dem Boden damaliger Kolonien gewonnen werden konnte. Diese Anhängigkeit erklärt auch, warum Deutschland bis zuletzt nicht den Mut hatte zu Lasten heimischer Kohle auf zu importierendes Erdöl umzustellen. Denn bis auf einige unbedeutende Ländereien war es nicht im Besitz nennenswerter Kolonien mit entsprechenden Erdölvorkommen. Als Grundlage bildeten deshalb weiterhin Stein- und Braunkohle die Hauptgrundlage für die Petrochemische Industrie in Deutschland. Bis in den 2. Weltkrieg hinein wurde noch Kohle zu Benzin synthetisiert – das so genannte Kohlebenzin von Leuna!

Während die Automobilindustrie 1901 in Deutschland, mit der Gründung des Verbandes Deutscher Automobilindustrie (VDA) und einer Jahresproduktion von damals knapp 880 Autos noch in den Kinderschuhen steckte, wurden in den USA reihenweise neue Ölvorkommen entdeckt. So gehen die Gründungen von TEXACO 1901 und British American Oil (später GULF Oil) 1906, auf Ölfunde in Spindeltop im Bundesstaat Texas zurück. Bereits zwei Jahre später erreichte die Nachfrage nach Benzin in den USA, mit der Gründung der Ford Motor Company und der mit dem Modell-T verbundenen Automobilmassenproduktion, einen neuen Höhepunkt. Zum damaligen Zeitpunkt steckten die aufstrebenden Mineralölunternehmen jedoch weltweit in einem gnadenlosen Verdrängungswettbewerb.

Die Unternehmen standen vor dem aus ihrer Sicht unlösbaren Problem, zwischen Angebot und Nachfrage einen angemessenen Preis für einen Rohstoff zu finden, welcher in unterschiedlichen Qualitäten sowie mit von Bohrloch zu Bohrloch sehr unterschiedlichem Aufwand gefördert wurde. Enorme Preisschwankungen und länger anhaltende Ölschwemmen ließen die Fasspreise zum Teil ins Bodenlose fallen und machten eine langfristige wirtschaftliche Planung für die Unternehmen nahezu unmöglich. In dieser Zeit versuchten die Großen der Branche, wie beispielsweise Rockefellers Standard Oil, in einem gnadenlosen Preiskampf Wettbewerber aus dem Markt zu drängen um auf diese Weise ein quasi Monopol zu etablieren, was jedoch keinem der Unternehmen je gelang. 1906 fusionierte die niederländische Royal Dutch mit der englischen Shell, nachdem sie sich zuvor einen jahrelangen Preiskrieg im asiatischen Raum geliefert hatten.


Vom Wettbewerb zum Kartell

Nur fünf Jahre später 1911 fand schließlich ein in den USA bis heute einzigartiger Vorgang statt. Auf Grund der bis dahin nahezu marktbeherrschenden Stellung Rockefellers Standard Oil, wurde das Unternehmen im ersten und einzigen Anti-Trust Verfahren der US-Geschichte in drei von da an selbstständige Einheiten, nämlich die Unternehmen Exxon, Mobil Oil und Socal (später Chevron) zerschlagen. Ein Jahr später wurde in England, auf drängen von Winston Churchill, die British Petroleum (BP) zunächst als Staatsunternehmen gegründet, um die Versorgung der Britischen Royal Navy mit Erdöl sicherzustellen. In diese Zeit fällt auch ein Gesinnungswandel der großen Mineralölkonzerne. Nachdem sie erkannten, dass ein weiterer Preiskrieg niemandem nützen würde und es auch weiterhin keinem von ihnen gelingen würde jemals ein weltweites Monopol für den Erdölvertrieb zu erricht, änderten sie ihr Marktverhalten und entwickelten schrittweise kartellartige Strukturen und Verhaltensweisen, welche bis heute noch in Grundzügen vorhanden sind. Günter Barudio weist diesbezüglich in seinem Buch "Tränen des Teufels" ausdrücklich auf den wichtigen Unterschied zwischen Kartell und Monopol hin. Im Rahmen einer Kartellbildung behält demnach grundsätzlich jeder Teilnehmer seine individuelle Selbständigkeit, fühlt sich jedoch für ein gemeinsames Ziel, in diesem Fall eine weitestgehende Preisstabilität, auf Gegenseitigkeit verantwortlich. Das Kartell ähnelt somit in den Gundzügen dem auch heute noch weitverbreiteten Konsortium. Monopolisten dagegen streben nach alleiniger Marktbeherrschung unter völliger Ausschaltung vorhandener Wettbewerber – ein wichtiger Unterschied für eine sachliche Diskussion über die Preispolitik heutiger Mineralölkonzerne.


Politischer Umbruch in der Nachkriegszeit

Kurz vor Beginn des 1. Weltkrieges erfand der Deutsche Friedrich Bergius das erste chemische Crack-Verfahren. Das ursprünglich für die Benzingewinnung aus Kokskohle gedachte Verfahren ermöglichte erstmals das Aufbrechen schwersiedender Kohlenwasserstoffverbindungen und erhöhte damit die Ausbeute der begehrten Kraftstoffe aus dem Rohstoff Erdöl. Nach dem Ende des ersten Weltkrieges 1918 standen Europa und weite Teile der Welt politisch vor grundlegenden Veränderungen. Das zerfallene und mit den Achsenmächten Deutschland, Österreich und Italien verbündete Osmanische Reich machte eine Neuordnung des gesamten Nahen Ostens notwendig. Diese mündete 1928 in das so genannte „Rotstiftabkommen“ von Oostende in Belgien, in dessen Rahmen der Nahe Osten von den Siegermächten USA, Frankreich und Großbritannien, mit Hilfe eines roten Stiftes auf einer Landkarte, neu aufgeteilt wurde.

Für die Mineralölunternehmen der Siegerländer war der zentrale Punkt des Abkommens die Auflösung der Turkish Petroleum Company (TPC) und die gleichzeitige Neugründung der Iraq Petroleum Company IPC an welcher alle großen Konzerne einen Anteil bekamen. Das so genannte "Abkommen" wurde dabei über die Köpfe der betroffenen Staaten hinweg getroffen und schaffte wirtschaftliche und politische Tatsachen, deren Auswirkungen bis in unsere heutige Zeit hinein beinahe täglich spürbar sind.

Noch im selben Jahr beendeten Walter Teagle (EXXON) und Sir Deterding (Shell) im schottischen Schloss Achnacarry einen nach dem 1. Weltkrieg wieder aufgeflammten zehrenden Preiskrieg zwischen beiden Unternehmen. Sie trafen das für die Mineralölindustrie epochale so genannte „As-Is“ Abkommen, dessen Herzstück, das so genannte „Golf-Plus-System“, einen weltweit gültigen einheitlichen Fasspreis festlegte. Maßstab war der jeweilige Preis am Golf von Mexiko plus einer entsprechenden Transportkostenmarge. Mit Hilfe dieses Abkommens, welches in Grundzügen bis in die frühen 80’er Jahre gültig blieb, konnte erstmals in der Geschichte ein annähernd stabiler und weltweit einheitlicher Erdölpreis in der Praxis etabliert werden. Dieser war aus Sicht der betroffenen Unternehmen auch dringend notwendig – fiel das Abkommen doch in eine Zeit in der ein bisher nie gekanntes Erdölüberangebot den Fasspreis 1929 mit knapp 10 Cent, sogar unter den Preis einer entsprechenden Menge Trinkwasser fallen lies. Ebenfalls zum Ende des 1. Weltkrieges erfuhr die noch in den Anfängen steckende Luftfahrtindustrie mit ihrem enormen Bedarf an Flugbenzin einen starken Auftrieb. Zum einen wurden im Verlauf des Krieges erstmals Kampfflugzeuge in größerer Anzahl wirksam eingesetzt und zum zweiten wuchs parallel die zivile Luftfahrt, mit deren Hilfe der Ozean zwischen Europa und Amerika in wenigen Stunden, statt in Wochen überquert werden konnte.

Erst nach dem 2. Weltkrieg und den damit verbundenen politischen Veränderungen vollzog sich schließlich auch in Deutschland eine flächendeckende Umstellung der Industrie von Kohle auf Erdöl. Zusammen mit extrem niedrigen Ölpreisen zwischen 1947 und 1973 führte dies zu einem flächendeckenden Zechensterben an Saar und Ruhr, dessen Auswirkungen in den betroffenen Regionen bis heute nicht vollständig überwunden werden konnten.


Geschichtliches Fazit

Zusammenfassend lässt sich festzustellen, dass die Entstehung der Mineralölindustrie zweifelsohne sehr eng an die industrielle Entwicklung westlicher Industriestaaten gekoppelt war. Ohne die vorausgegangenen Entwicklungen in der chemischen Industrie, sowie parallel der zunehmenden Nachfrage nach individueller Mobilität und damit einhergehend der Entstehung der Automobil-, Schifffahrts- und der Luftfahrtindustrie, hätte eine entsprechend steigende Nachfrage nach petrochemischen Produkten jedoch niemals stattfinden können. Im gewissen Sinne waren die großen und kleineren Mineralölunternehmen somit die Geburtshelfer der westlichen Industriestaaten und der damit verbundenen Führungsrolle in der Welt. Die Frage in wieweit große Ölkonzerne in bis heute noch spürbare weltpolitische Entwicklungen involviert waren, wird sich sicherlich nicht abschließend beantworten lassen. Trotzdem erscheint es als recht naiv anzunehmen, dass zum damaligen Zeitpunkt privat geführte Unternehmen quasi im Hintergrund die Fäden für die Kolonialisierung ganzer Regionen gezogen haben sollen.

Vielmehr erscheint es realistischer, dass entsprechende Weichenstellungen von damals regierenden Staatsoberhäuptern westlicher Staaten und insbesondere ehemaliger Kolonialmächte, vor dem Hintergrund des damaligen kolonialen Selbstverständnisses getroffen wurden. Im weiteren Verlauf der Geschichte bis in unsere heutige Zeit hinein, konnten diese, auf Grund der entstandenen wirtschaftlichen Abhängigkeit der Industriestaaten vom Rohstoff Erdöl, nicht mehr revidiert werden. Die großen, heute noch am Markt aktiven und nunmehr mehrheitlich als Aktiengesellschaften geführten Unternehmen für „post-koloniale“ Entwicklungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts verantwortlich zu machen erscheint aus diesen Gründen mehr als absurd. Auf der anderen Seite darf aber auch nicht außer Acht gelassen werden, dass Geld in der Regel auch Macht bedeutet und im Ölgeschäft geht es um unendlich viel Geld. Dies beweisen auch heute noch  die Bilanzen der großen Konzerne, welche in guten Jahren Gewinne im gut zweistelligen Mrd. Euro Bereich ausweisen.

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